»Remote Leadership» heißt die neue Herausforderung in diesen Zeiten. Flexibles Arbeiten macht Einiges möglich, stellt aber speziell die Führungskräfte auch vor neue Herausforderungen. Insbesondere wer selbst neu an der Spitze eines Teams in einer Kanzlei steht, sollte beim Leadership aus der Ferne Einiges beachten.
Das Gefühl von Kontrolle ist auch im Büro nichts weiter als eine Illusion - deshalb sollte es nicht allzu schwer fallen, sich davon zu verabschieden. Denn um besonders tätig oder untätig im Interesse der Organisation zu sein, braucht es keinen speziellen Ort. So lässt es sich auch im Büro ruhig angehen oder zu- se richtig Ranklotzen.
In der Steuerberatung ist ohnehin klar, welches Pensum Buchhaltungskräfte absolviert haben oder eben nicht. Damit fällt ein - zumindest psychologisch - für viele problembehafteter Aspekt in der Branche schon einmal weg.
Wenn es also nicht die konkrete Leistungsbereitschaft ist, die es im Blick zu behalten gilt, wo liegen dann die größten Herausforderungen beim Thema »Remote Leadership»? Tatsächlich sind es langfristige Mobilität, der Teamzusammenhalt und die individuelle Gesundheit eines jeden einzelnen Mitarbeitenden, die die Hauptherausforderungen ausmachen. Oftmals stehen aber diese drei Aspekte nicht so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Doch sie sind es letztlich, die über den nachhaltigen Erfolg entscheiden.
Die Personalberatenden von Robert Half haben unter hier eine Reihe von Regeln aufgestellt, die dabei helfen sollen, diesen zentralen Aspekten, Rechnung zu tragen. Dabei betonen sie besonders den Grundsatz »Je weniger persönlicher Kontakt, desto mehr Kommunikation». Das mag banal klingen, trifft aber den Kern der Sache. Denn die selbe Beratungsgesellschaft hat in einer Studie herausgefunden, dass ein Viertel der Angestellten auf die Möglichkeit zum Home-Office verzichtet, weil sie Angst hat, etwas zu verpassen oder übersehen zu werden.
Dieser Befürchtung entgegen wirke etwa ein kurzer morgendlicher Termin, bei dem jedes Teammitglied kurz berichte, woran es arbeite, und was für den Tag geplant sei. Dabei scheiden sich die Geister an der Frage, wie wesentlich die eingeschaltete Kamera für den Videocall ist - tatsächlich verstärkt sie natürlich den persönlichen Bezug, hat aber andererseits auch handfeste Nachteile, wie Studien zeigen. Die Erfahrung belegt auch, dass viele Mitarbeitende die eingeschaltete Kamera generell als unangenehm empfinden. Das hat belegbare Ursachen.
Durch den intensiven Augenkontakt, die eingeschränkte Beweglichkeit und die ständige Konfrontation mit dem eigenen Bild entstünde Stress bis hin zur Erschöpfung bei den Teilnehmenden, so die zentralen Ergebnisse der Arbeit der Standford University aus dem Jahr 2021. Die Autoren empfehlen, bei langen Konferenzstrecken eine »audio nur Pause». In dieser Zeit sollten Mitarbeitende die Möglichkeit haben, nur zuzuhören.
Doch die Belastungen auf der individuell persönlichen Ebene sind nicht das einzige Problem der Videokon- ferenzen. So verweisen Studien zudem auf negative Effekte fürs Klima bei eingeschalteter Kamera - wie etwa diese Analyse verdeutlicht: https://www.sciencedirect.com
Führungskräfte dürften in den meisten Fällen auf eine eingeschaltete Kamera angewiesen sein, ihren Teammitgliedern sollten sie aber gelegentlich eine »audio only break» gönnen, sofern die Besprechungen länger oder intensiver sind. Wie sie selbst über die Distanz möglichst überzeugend wirken, ist mittlerweile auch erforscht, etwa durch eine Studie der Universität Göteborg, zu finden unter https://tmb.apaopen.org/pub/media-experiences-during-social-distancing/release/1
Diese kommt zu dem Ergebnis, dass, wer in Video-Meetings bei anderen Teilnehmern einen möglichst gu- ten Eindruck machen will, idealerweise direkt in die Kamera schauen sollte. Außerdem sollte die Kamera über Augenhöhe positioniert sein, um einen hohen Kamerawinkel zu schaffen. Der Abstand zur Kamera dagegen spiele für den Eindruck gegenüber anderen Meeting-Teilnehmern meist keine Rolle.
Erfolgreiche Führung über die Distanz besteht freilich aus mehr Elementen als einem gelungenen Video- Call. Wesentlich sind laut Robert Half (siehe oben) außerdem einige wenige klare Regeln, die verlässlich für alle gelten: Dies betrifft sowohl die Pausen - etwa, ob sich jemand abmelden muss, wenn er eine längere Unterbrechung der Arbeit plant - als auch die Technologienutzung sowie die Kommunikation, bei letzterer insbesondere die Auszeiten. Diese spielen für den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden eine erhebliche Rolle - die sie selbst oftmals unterschätzen und daher an dieser Stelle auf die Unterstützung durch die Führungskraft angewiesen sind.
Eigenverantwortliches Arbeiten und Strukturieren der Aufgaben liegen nicht allen gleichermaßen. Dies sollten Führungskräfte offen thematisieren und dem Team ihre Unterstützung anbieten. Das fällt selbstverständlich leichter, wenn man die Mitglieder bereits seit längerem kennt, doch auch neue Chefs und Chefinnen können durch den bewussten Einsatz von Kommunikationstechniken einiges bewirken.
Weniger hilfreich sind an dieser Stelle sicherlich einschlägige Tools, die dazu dienen sollen, Mitarbeitende als Persönlichkeitstypen einzuschätzen, da sie in aller Regel remote-spezifische Aspekte noch nicht be- rücksichtigen. Allerdings gibt es zumindest für eine ganz zentrale Frage inzwischen einige Klassifizierun- gen, und zwar, welche Homeoffice-Typen die Teammitglieder repräsentieren, so zum Beispiel von Rialton unter https://rilaton.com/homeoffice-typologie/.
Die Umfrage macht sechs Homeoffice-Typen aus. Ausschlaggebend für die einzelnen Typen seien die Faktoren Struktur, Ruhe, persönlicher Kontakt mit den Kollegeninnen und Kollegen, Verhalten der Führungs- kraft und die Ausstattung am Homeoffice-Arbeitsplatz. Die Homeoffice-Ablehner machten 20 Prozent der Erwerbstätigen aus; sie seien eher jünger und häufig männlich. Dieser Typ sei generell unzufrieden im Homeoffice und bewertet alle Kriterien, wie Arbeitsmittel, Struktur, Ruhe und Austausch mit dem Team und der Führungskraft tendenziell negativ. Rund zehn Prozent seien dagegen zufriedene Homeoffice-Individualisten, die jedoch die Kommunikation und die Teambindung bemängeln. In dieser Gruppe seien etwas häufiger Frauen und eher ältere Personen vertreten.
Ein Drittel seien klare Homeoffice-Fans, häufig im mittleren Lebensalter und generell mit Homeoffice sehr zufrieden. Sie könnten strukturiert und in Ruhe arbeiten und haben überdurchschnittlich viel Spaß dabei. Der Rest gliedert sich in etwa 15 Prozent familiär Beanspruchte, Ausstattungslose (10 Prozent) und Team- vermisser (16 Prozent).
Der Versuch, das vielleicht noch vergleichsweise unbekannte Team nach diesen Typen zu klassifizieren, löst zwar noch nicht die dahinter liegenden Probleme, hilft aber dabei, das Augenmerk auf die richtigen Mitglieder zu legen, um gezielter unterstützen zu können. Außerdem signalisiert bereits die Frage danach, wie Mitarbeitende mit der Situation zurecht kommen, Interesse und Wertschätzung - nicht zu vernachlässigen- de Faktoren, die in kaum einer Zufriedenheitsanalyse im Hinblick auf die Vorgesetzten fehlen.
Am Ende werden nur selten die Nachwuchsführungskräfte selbst souverän die Entscheidung treffen, ob Remote Work und Leadership auf Dauer und flächendeckend praktiziert werden oder nur ein Fallback-Ins- trument für Krisenzeiten sein sollen; von daher bleibt nur das Arrangement damit. Das gilt umso mehr, da sich der Trend zur dezentralen Organisation verstärkt. Das hat mit Internationalisierung zu tun, ist aber oftmals auch schlichtweg dem Fachkräftemangel in den Ballungsräumen geschuldet. Schon heute arbei- ten nicht wenige Buchhaltungskräfte dauerhaft remote für mehrere hundert Kilometer entfernte Kanzlei- zentralen. Dies dürfte in Zukunft mit steigenden Mobilitäts- und Wohnkosten eher häufiger denn seltener vorkommen.
Dass Führung auch so gelingen kann, daran herrscht kein Zweifel - allerdings auch daran nicht, dass diese Aufgabe für die meisten noch um einiges schwieriger zu bewerkstelligen ist als face-to-face. Denn auch die Führungskräfte selbst unterliegen ja der gleichen Homeoffice-Typologie wie ihre Mitarbeitenden.
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