Jan Urban: "Warum ist das nicht auch in Steuerkanzleien so?"

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Jan Urban: "Warum ist das nicht auch in Steuerkanzleien so?"

Steuerberater Jan Urban stammt eigentlich aus dem Saarland, lebt aber seit neun Jahren in Hamburg. Dort hat der 31-Jährige im Sommer 2024 auch seine eigene Kanzlei gegründet – die nicht nur Mandate bundesweit betreut, sondern auch Mitarbeitende standortunabhängig beschäftigt. Die Digitalisierung hilft dabei, eine offene Unternehmenskultur aufzubauen.

TaxTalents: Herr Urban, was hat Sie zu Ihrer Kanzleigründung inspiriert?

Jan Urban: Meine Partnerin arbeitet in einer Media-Agentur, dort ist die Unternehmenskultur sehr locker: Die Menschen haben Spaß auf der Arbeit, unternehmen viel zusammen, und deshalb gibt es dort auch weniger Personalprobleme. Ich habe mich gefragt: Warum ist das nicht auch in Steuerkanzleien so? Wo sind die Kanzleien, in denen es keinen unterschwelligen Druck gibt, wo jeder sein kann, wie er ist, wo man den Chef nicht siezen muss? Alle sollen sich wohlfühlen und diskriminierungsfrei arbeiten können – das ist etwas, wofür ich sehr stark einstehe, Gleichberechtigung und ein angenehmes Miteinander, und das war mir tatsächlich auch am wichtigsten, als ich meine Kanzlei gegründet habe.

TaxTalents: Dazu gehört auch, dass alle an dem Ort arbeiten können, an dem sie möchten?

Jan Urban: Ja, genau. Ich möchte meinen Mitarbeitenden überlassen, wo sie arbeiten wollen: im Büro beziehungsweise im Coworking-Office, zuhause oder während einer Workation. Das sollte jede und jeder eigenständig entscheiden können. Wie genau der Weg dorthin sein wird, zeigt sich in den kommenden Monaten. Denn ich stehe jetzt an dem Punkt, an dem ich zusätzlich zu zwei Teilzeit arbeitenden Kolleginnen Unterstützung benötige und weitere Mitarbeitende gewinnen muss.

TaxTalents: Wie machen Sie das?

Jan Urban: Ich versuche, über Social Media und die Kanzleihomepage die Werte, die ich schon angesprochen habe, nach außen zu tragen. Und ich bin guter Dinge, dass das auch funktioniert. Mitarbeitende sind hier mit eigenen Ideen willkommen, wir gehen einen gemeinsamen Weg, und ich brauche dabei Input von allen. Meine Kolleginnen und Kollegen finden es außerdem super, so intensiv am Aufbau der Kanzlei beteiligt zu sein.

TaxTalents: Ist die Frage der Unternehmenskultur tatsächlich so zentral für Sie?

Jan Urban: Absolut. Mein Ziel ist es, dass alle – sowohl meine Mitarbeitenden als auch ich selbst – in einem Umfeld arbeiten und leben können, das sie erfüllt und glücklich macht. Insofern haben Sie Recht. Das gilt im Übrigen auch für die Mandantinnen und Mandanten: Wenn sie wertschätzend und nett mit meinen Team umgehen, dann trägt das zur Zufriedenheit aller bei. Deshalb achte ich sehr auf das Zwischenmenschliche, und setze den Menschen immer an die erste Stelle.

TaxTalents: Wie funktioniert das in einer oftmals virtuellen Umgebung?

Jan Urban: Das ist tatsächlich die größte Herausforderung – doch sie ist machbar. Im vergangenen halben Jahr ging alles viel schneller als gedacht – der Markt für Beratung ist enorm. So wurde Unterstützung sehr rasch notwendig, und die dazu gewonnenen Kolleginnen arbeiten tatsächlich beide nicht hier in Hamburg, sondern in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise Niedersachsen. Dennoch glaube ich, dass der intensive Austausch gut funktioniert, wir treffen uns gelegentlich hier in Hamburg im Coworking-Space, dazu wöchentlich online über Teams, und ich bin immer für alle Fragen ansprechbar.

TaxTalents: Digitalisierung war für Sie auch ein wichtiger Aspekt für die Gründung, oder?

Jan Urban: Das stimmt, ich hatte ja kurzzeitig auch die Option angedacht, als Partner oder Nachfolger in eine Kanzlei einzusteigen. Aber ich bin der Überzeugung, eine bestehende Kanzlei nach meinen Vorstellungen umzugestalten, hätte mehr Zeit und Kraft gekostet als sie komplett neu zu gründen. Hier kann ich von Anfang an die Prozesse so gestalten, wie ich sie haben möchte. Und dazu zählt, ausschließlich papierlos zu arbeiten. Ich habe tatsächlich keinen Drucker.

TaxTalents: Das funktioniert? Auch mit den Behörden?

Jan Urban: Ich gehe dabei sehr konsequent vor. Postalische Eingangsschreiben werden unmittelbar digitalisiert, die meisten Bescheide kommen mittlerweile elektronisch. Doch tatsächlich sind die Ämter das größte Probleme. Ich arbeite, wo immer möglich, mit digitalen Signaturen, wenn ich etwas unterschreiben muss. Für mich gibt es keine Alternative zur papierlosen Kanzlei – denn nur auf diese Weise kann ich bundesweit nicht nur Mandate betreuen, sondern auch ortsunabhängig Mitarbeitende gewinnen. Gerade letzteres ist ein großer Vorteil.

TaxTalents: Aus welchem Bereich stammen Ihre Mandate überwiegend?

Jan Urban: Meine Mandantinnen und Mandanten kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Es sind einige E-Commerce-Unternehmen darunter, aber auch eine ganze Reihe Firmen aus anderen Branchen wie der Logistik oder dem Design. Einen Schwerpunkt möchte ich nicht setzen. Mein Fokus liegt jedoch auf der Beratung von Unternehmensmandaten. Darüber hinaus will ich bewusst offen bleiben, auch wenn eine Spezialisierung vielleicht Vorteile mit sich bringen würde. Aber genau das Gegenteil hat unseren Beruf immer so spannend für mich gemacht: Er lebt davon, dass man so viel Verschiedenes kennenlernt. Das soll für mich und meine Kanzlei so bleiben, und das Konzept gelingt derzeit auch gut - ich bin damit wirklich zufrieden.

TaxTalents: Wie schaffen Sie es, ausgeglichen durch diese anstrengende Gründungsphase zu kommen?

Jan Urban: Mir ist ein guter Ausgleich wichtig, dazu muss man sich disziplinieren und das Handy auch mal ausschalten können, um wirklich Freizeit zu haben. Ich treibe sehr viel Sport, spiele schon seit acht Jahren hier bei den Amateuren des FC St. Pauli Fußball. Das bringt mir großen Spaß und lässt mich vollständig abschalten. Außerdem heirate ich dieses Jahr – auch das füllt mein Leben mit einer Reihe von Themen ganz außerhalb der Arbeit.

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